Kryptogamen-Exkursion zu den Gegensteinen und in den Zehling bei Ballenstedt

Zur 11. Kryptogamenexkursion des Botanischen Arbeitskreises Nordharz e.V. fanden sich 19 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein. Anliegen der Exkursion waren eine aktuelle Erfassung von Moosen und eine Einführung zu den Flechten des Gebietes.

Die Exkursion fand auf den Spuren von Hermann Zschacke statt, dem wir erste sichere floristische Daten zu Moosen und Flechten des Gebietes verdanken.

Abbildung nach Mattick

Georg Hermann ZSCHACKE (1867 Köthen – 1937 Bernburg) Schulbesuch in Köthen, ab 1882-1887 Lehrerseminar Köthen und Abschluss als Volksschullehrer in Dessau. 1892 Angestelltenprüfung als Mittelschullehrer in Magdeburg. 1887 erste Lehrerstelle in Zerbst, danach in Giersleben, ab 1892 Mittelschullehrer in Hecklingen. Seit 1898 höhere Töchterschule (später Lyzeum) in Bernburg. Kontakte zu ASCHERSON, WARNSTORF, LOESKE, SCHULZ u.a., 1898 Mitglied im Botanischen Verein der Provinz Brandenburg. 1909 Reise mit HERMANN in die Ost- und Südkarpaten, 1912 nochmals allein in die Südkarpaten. 1914 mit HERMANN und KÜKENTHAL nach Korsika, dort bis 1916 interniert und dabei so schwer erkrankt, dass er sich davon nie mehr erholte. 1916 Internierung in Davos, hier Studium der Flechten. 1917 Rückkehr nach Deutschland und Verleihung des Verdienstordens für Wissenschaft und Kunst. Wegen schwerer Krankheit 1924 in den Ruhestand, aber weiterhin Arbeiten zur Lichenologie (insbesondere Gattung Verrucaria).
ZSCHACKE war in verschiedenen Orten um Bernburg-Staßfurt als Lehrer tätig und auf all seinen Stationen auch botanisch aktiv. Bis er endlich in Bernburg dauerhaft sesshaft war, musste er infolge von Versetzungen mehrfach den Wohnort wechseln. In einer seiner Arbeiten nimmt er Bezug darauf, und lässt durchblicken, dass dies auch belastend war: „Zum dritten Male in 12 Jahren, in welchen ich an der Erforschung der anhaltischen Flora thätig bin, habe ich meinen Wohnsitz wechseln müssen; glücklicherweise bin ich immer in derselben Gegend geblieben: Giersleben, Hecklingen, Bernburg. Sie liegen nur wenige Stunden auseinander“ (ZSCHACKE 1899). Seine Beobachtungen aus den Jahren 1880-1886 aus der Köthener Gegend publizierte er nicht, da sie mit BENSEMANN (1908) übereinstimmen. Wenngleich ZSCHACKE sehr bald begann, sich den Kryptogamen (Moose, Flechten) zuzuwenden, so sind die frühen Publikationen zu den Phanerogamen lokalfloristisch von außerordentlicher Bedeutung, nicht nur wegen der Zuverlässigkeit seiner Bestimmungen. ZSCHACKE war sehr eng mit Friedrich HERMANN befreundet und unterhielt einen ebenfalls sehr engen Kontakt zu Richard MEIßNER und Wilhelm EBERT. Letzterer hat die Angaben ZSCHACKEs vollständig in seine Flora von Bernburg (EBERT 1929) eingearbeitet.

Wichtige Arbeiten Zschackes zu den Kryptogamen des Gebietes:

Flechten
Zschacke, H. (1909): Beiträge zu einer Flechtenflora des Harzes. Hedwigia 48: 21-44
Zschacke, H. (1922): Die Flechten des Harzes. Verh. Bot. Ver. Prov. Brandenburg 64: 103-108
Die weitgehend aktuelle Flechtenflora des Gebietes ist dargestellt: Kison, H.-U. (2004): Zur Flechtenflora des NSG „Gegensteine-Schierberg“ in Sachsen-Anhalt. Abh. Ber. Mus. Heineanum 6: 1-16

Moose
Zschacke, H. (1903): Vorarbeiten zu einer Moosflora des Herzogthums Anhalt. In: Verh. Bot. Ver. Prov. Brandenburg
Die Moose des Harzvorlandes 45 (1903): 1-37
Die Moose des Nordostharzes 47 (1905): 223-316 (Nachträge dazu 50 (1908): 164-176)
Die Moose des Tieflandes 53 (1912): 280-308

Neben den Kryptogamen wurden anlässlich der Exkursion auch bemerkenswerte Phanerogamen beobachtet. Unter den zahlreichen Geophytenarten des „Zehling“ ist die aktuelle Bestätigung von Gagea minima hervorzuheben. Die Art wurde mit zahlreich blühenden Exemplaren angetroffen. Der Blühaspekt der Trocken- und Halbtrockenrasen wurde von Potentilla neumanniana bestimmt. Als Besonderheit des Gebietes wurde neben Scleranthus polycarpos auch die sehr seltene Art Scleranthus verticillatus beobachtet. Im Gebiet des Botanischen Arbeitskreises hat sie hier ihren einzigen bekannten Fundort. Fünf Winterblattrosetten von Ophrys apifera konnten gezählt werden. Am Großen Gegenstein wurde ein großer Bestand von Marrubium vulgare gezeigt; diese Art befindet sich in ganz Europa heute im Rückgang. Wegen des optimalen Blühzeitpunktes konnten die Unterschiede zwischen den Stellaria-Arten (media, neglecta, pallida) gut gesehen werden. Carex praecox bildete große Herden, seltener dagegen war Carex supina.

Im Bild ist der Geophyt Gagea minima im „Zehling“ zu erkennen.

Auswahl beobachteter Flechten

Epiphyten
Amandinea punctata
Lecanora persimilis
Parmelia saxatilis s. l.
Parmelia sulcata
Phaeophyscia nigricans
Phaeophyscia orbicularis
Physcia adscendens
Physcia tenella
Polycauliona candelaria
Polycauliona polycarpa
Xanthoria parietina

Nahezu alle gezeigten Epipyten gehören in die Rubrik der nitrophilen Arten. Sie haben in den zurückliegenden 30 Jahren beeindruckende Bestände aufbauen können. Mit Erythricium aurantiacum und Athelia arachnoidea traten zwei lichenicole (flechtenbewohnende) Pilze auf, die die nitrophilen Bestände wieder dezimieren.

Epilithische Arten
Acarospora fuscata
Candelariella coralliza
Candelariella vitellina
Dimelaena oreina
Lecanora orosthea
Lecanora rupestris
Physcia caesia
Protoparmeliopsis muralis
Ramalina capitata
Umbilicaria hirsuta
Xanthoparmelia conspersa (reich fruchtend)
Xanthoparmelia verruculifera

Auswahl beobachteter Laubmoose

Laubmoose
Aulacomnium androgynum
Barbula convoluta
Brachythecium glareosum
Brachythecium rutabulum
Bryum capillare
Campylopus flexuosus
Campylopus introflexus
Ceratodon purpureus
Dicranum scoparium
Didymodon vinealis
Encalypta vulgaris
Eurhynchium hians
Funaria hygrometrica
Grimmia laevigata
Grimmia pulvinata
Homalothecium lutescens
Hypnum cupressiforme
Hypnum lacunosum
Orthotrichum affine
Orthotrichum anomalum
Plagiomnium affine
Polytrichum piliferum
Rhynchostegium murale
Rhytidiadelphus squarrosus
Schistidium apocarpum
Tortula muralis
Tortula ruralis

Lebermoose konnten nicht gefunden werden.

Text: Dr. Hans-Ulrich Kison & Gisela Schaaf
Fotos: Jürgen Roehl