Kryptogamenexkursion zur Blankenburger Teufelsmauer (Heidelberg) 2025

Bei bestem Exkursionswetter fanden sich am Samstag, dem 13. September 2025, 20 Exkursionsteilnehmer ein, um die Moos- und Flechtenvegetation der westlichen Teufelsmauer bei Blankenburg zu erkunden.

Aufbruch zur Kryptogamen-Exkursion

Schon am Aufstieg zum Heidelberg, von der Straße gleichen Namens ausgehend, wurden die ersten Moose vorgestellt. Calliergonella cuspidata fand sich bereits an der Straßenböschung. Im Wald zeigten sich Atrichum undulatum, Polytrichum formosum und Mnium hornum als häufige Wegbegleiter. Der Gehölzbestand wies zahlreiche abgestorbene Rotbuchen (Fagus sylvatica) auf, denen der Sanduntergrund hinsichtlich der Wasserversorgung offenbar nicht mehr zusagt. Die Eichen (Quercus petraea) waren überwiegend vitaler. In der Naturverjüngung dominierten die Eichen, begleitet von zahlreichen subspontan auftretenden Eiben (Taxus baccata) und Ess-Kastanien (Castanea sativa). An häufigen Flechtenarten wurden gezeigt: Lepraria incana und Lepraria finkii (auf Rinde wie auf Sandstein). Neben Cladonia fimbriata und indet. Primärlagern von Cladonia trat als Besonderheit auch Cladonia humilis auf.
Auf halbem Wege zum Kamm des Heidelbergs wurde an den Apotheker und Botaniker Ernst Hampe (1795-1880) erinnert, der mehrere Jahrzehnte die Hofapotheke in Blankenburg innehatte. Im botanischen Sinne gilt er als Nestor der Harzer Bryologie, indem er ein umfangreiches Harzherbarium zusammentrug, aber auch Moose exotischer Gebiete beschrieb. Flechten beobachtete er auch, stellte aber keine systematischen eigenen Untersuchungen an, sondern schickte seine Funde an Flechtenexperten wie z. B. G. W. Körber (1817-1885) in Breslau. Sein Exkursionsgebiet im Kreidesandstein bezog sich vor allem auf das Regensteingebiet sowie auf den gesamten Harz. In den ehemaligen Steinbrüchen an der Nordseite des Heidelbergs fand er als „Petrefakt“ (Fossil im Sandstein) Blätter von Credneria aus der Oberkreide. Credneria ist eine verwandte Gattung zu der heute noch existierenden Gattung Platanus.
Die restlichen in der Tabelle der Moose aufgeführten Arten fanden sich beim weiteren Aufstieg bis zum Kammweg.

Erläuterungen der Moosfunde durch Gisela Schaaf
Mnium hornum
Polytrichum formosum
Hypnum cupressiforme

Moosliste (Vor-und Hauptexkursion) Blankenburger Teufelsmauer am 05.09. /13.09.

wissenschaftl. Namedt. Bezeichnung
Atrichum undulatum
Brachythecium rutabulum
Bryum capillare
Calliergonella cuspidata
Dicranella heteromalla
Dicranum scoparium
Grimmia laevigata
(?)
Herzogiella seligeri
Hypnum cupressiforme
Hypnum jutlandicum
Isothecium myosuroides
Mnium hornum
Plagiomnium undulatum
Plagiothecium laetum
(?)
Polytrichum formosum

Pseudotaxiphyllum elegans
Rhizomnium punktatum
Katharinenmoos
Kurzbüchsenmoos
Haarblättriges Birnmoos
Spießmoos
Kleingabelzahnmoos
Gabelzahnmoos
Kissenmoos
Stumpenmoos
Zypressenschlafmoos
Heideschlafmoos
Kleines Mausschwanzmoos
Schwanenhals Sternmoos
Gewelltblättriges Kriechsternmoos
Glänzendes Schiefbüchsenmoos
Schönes Frauenhaarmoos
Gleichflügelmoos
Punktiertes Wurzel Sternmoos
Erläuterung zu den Flechten auf dem Heidelberg-Kammweg durch Dr. Hans-Ulrich Kison

Nach einer kurzen Mittagsrast ging es auf dem Kammweg entlang der Massive von „Großmutter“ und „Großvater“ (Namen nicht sicher erklärbar) weiter. Eine kurze Einführung zur Geologie folgte. Es wurde darauf verwiesen, dass der Heidelberg zur Teufelsmauer und damit in die Harzaufrichtungszone gehört. Der „Heidelbergsandstein“ ist ein sehr harter, stark verkieselter Sandstein mit stellenweise hohem Eisenanteil. Darauf wurden die bizarren Felsgebilde auf epilithische Flechten untersucht.

Auf einem Felsblock am Wegrand fielen die nitrophilen Arten Physcia tenelle & adscendens sowie Xanthoria parietina auf. Durch den „sauren Regen“ in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts verarmte die gesteinsbewohnende Flechtengarnitur sehr stark. Heute dominiert der Stickstoffeintrag das Geschehen und fördert die stickstoffliebenden Arten. Ein weiterer Effekt dieses Stickstoffeintrags ist die starke Förderung des Mooswachstums an schattig-feuchten Stellen. Die hier schneller wachsenden Moosarten besetzen die Gesteinsoberfläche und verhindern die sehr langsam vor sich gehende Besiedlung mit Flechten.

Als häufige und auch massenwüchsige Blattflechte wurde Parmelia saxatilis vorgestellt. Verbunden wurde das mit einer Erläuterung zur Vermehrungs- und Ausbreitungsstrategie der Flechten Bei den Blattflechten dominiert die vegetative Vermehrung über kleine Bruchstücke oder stiftartige Auswüchse des Lagers. Die Stifte (als Isidien bezeichnet) brechen irgendwann ab, werden verbreitet und können neue Flechtenlager begründen, da sie die notwendigen Pilz- und Algenanteile sowie den „Flechten-Bauplan“ beinhalten.

Auf der offenen Südseite wurde als Besonderheit Umbilicaria pustulata vorgestellt, die ebenfalls auf den namengebenden Pusteln in der Lagermitte Isidien für die vegetative Fortpflanzung ausbildet. Auf dem Heidelberg befinden sich die größten Vorkommen dieser seltenen Art, die nur am Nordharzrand zwischen Selketal und Blankenburg vorkommt. Die Gattung Umbilicaria ist gekennzeichnet von einem umbilicus (lat. Nabel), mit dem die Blattflechten auf dem Fels angewachsen sind. In Gemeinschaft mit dieser Art wuchs Umbilicaria hirsuta, deren Blattränder sich in kleine Bruchstücke zur Verbreitung auflösen.

Herausragende Besonderheit auf dem Heidelberg: die Pustelflechte (Umbilicaria pustulata)

Als Beispiele für Krustenflechten, die fest mit dem Gestein verwachsen sind, wurden Lecidea fuscoatra und als Vertreter der Landkartenflechten Rhizocarpon geographicum vorgestellt. Sie bilden Apothecien aus und gehen damit den Weg über die generative Vermehrung. Eine besondere Gruppe von Krustenflechten fiel durch ihren Farbreichtum an Vogelsitzplätzen auf. Die Nährstoffanreicherung durch Vogelkot führt zu ornithokoprophilen Flechtengemeinschaften. Hier waren Candelariella vitellina und Acarospora fuscata besonders auffallend.

Zottige Nabelflechte (Umbilicaria hirsuta)
Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum)

Den Abschluss bildete die Krustenflechte Lepra corallina, die auf den Krustenlagern korallenähnliche Isidien ausbildet.

Korallen-Porenflechte (Lepra corallina)

Insgesamt wurde eingeschätzt, dass durch die starke Frequentierung des Kammwegs Trittschäden an den bodennahen Felsen entstehen, die den Flechtenbewuchs sehr beeinträchtigen bzw. zerstören. Einige allgemeine Hinweise zu den Flechten, ihrer Physiologie und Lebensweise, verbunden einer „Fragerunde“ beendeten die Exkursion.

Liste der besprochenen Flechtenarten vom 13.9.2025

wissenschaftl. Namedt. Bezeichnung
Acarospora fuscata
Aspicilia cinerea
Candelariella vitellina
Cladonia fimbriata
Cladonia humilis
Lecidea fuscoatra
Lepra corallina
Lepraria caesioalba
Lepraria finkii
Lepraria incana
Parmelia saxatilis
Physcia adscendens
Physcia tenella
Rhizocarpon geographicum
Rhizocarpon lecanorinum
Umbilicaria hirsuta
Umbilicaria pustulata
Xanthoria parietina
Gewöhnliche Kleinsporflechte
Graue Kragenflechte
Gewöhnliche Dotterflechte
Trompeten-Becherflechte
Niedrige Becherflechte
Braune Schwarznapfflechte
Korallen-Porenflechte
Weißgraue Staubflechte
Wattige Staubflechte
Graue Staubflechte
Felsen-Schüsselflechte
Helm-Schwielenflechte
Lippen-Schwielenflechte
Gewöhnliche Landkartenflechte
Berandete Landkartenflechte
Zottige Nabelflechte
Pustelflechte
Wand-Gelbflechte

Text: Dr. Hans-Ulrich Kison & Gisela Schaaf
Fotos: Dr. Joachim Keller und Jürgen Roehl